
Wolken trieben wie träge Schiffe über Samzche-Javacheti, als wir am Aussichtspunkt „Schwiegermutterzunge“ hielten – derselbe Felssporn aus dem Hollywood-Film 5 Days of War. Tief unten zog sich die Algeti-Schlucht, doch unser Ziel war älter als jedes Filmset: die Festung Schaori, Georgiens eigenes „Stonehenge“.
Nach Kaffee in Zalka umrundeten wir den silbern schimmernden Parawanisee, dessen Ufer von den pastellgrünen Dächern verfallener Dukhobor-Häuser gesäumt ist. Ein Wind, stark genug, um Tagebuchseiten davonzuwehen, trieb uns nach Westen, wo der Weg im Geröll verschwand. Wegweiser? Fehlanzeige. Nur die Stiefelabdrücke des Guides und ein neugieriger Rabe wiesen den Grat entlang.
Plötzlich flüsterte der Berg sein Geheimnis: Knapp unter 2 700 m erschien eine perfekt gepflasterte „Straße“ – Basaltplatten, dichter gefügt als Tetris-Steine, gelegt von Händen, die älter sind als Georgiens Schrift. Dieser steinzeitliche Boulevard führte zum Gipfel.
Die Festung Schaori gleicht weniger einer Burg als vielmehr einer Krone aus Zyklopenblöcken. Die einen sehen darin ein Observatorium, die anderen ein heidnisches Heiligtum; alle spüren hier eine besondere Energie. Ich lehnte mich an einen Monolithen und stellte mir Priester vor, die Sonnenwenden messen, oder Krieger, die auf Argonautensegel über dem glitzernden Parawanisee warten.
Unser Picknick – Chatschapuri und Bergkräuter – genossen wir mit 360-Grad-Panorama aus Vulkankegeln und einem Himmel, so klar, dass man den Ozon schmecken konnte. Am späten Nachmittag stiegen wir über dieselbe versteckte Straße hinab, Taschen voller Obsidian und Köpfe voller Fragen.
Wer Archäologie mit Höhe und Gänsehaut sucht, wird hier fündig – schon die Anfahrt liefert den Soundtrack für die Rückkehr nach Tiflis.