
Unter mir glitzerte das türkisfarbene Wasser des Schinwali-Stausees, als ich durch das steinerne Tor der Festung Ananuri trat – 74 km nördlich von Tiflis auf der berühmten Georgischen Heerstraße. Von diesem Felsvorsprung hoch über dem Aragwi-Fluss erkennt man sofort, warum mittelalterliche Fürsten hier lagerten: Jede Biegung der Schlucht liegt im Blickfeld, und der Bergwind trägt das Echo vergangener Schlachten.
Ananuri besteht aus zwei miteinander verwobenen Zitadellen. Die untere Burg mit ihrem runden Turm bewacht das Ufer; höher thront der quadratische Keep Scheupowari, einst letzte Bastion der Herzöge von Aragwi. Wer die abgetretene Treppe hinaufsteigt, verstummt angesichts des Panoramas.
Hinter den Mauern erzählen drei sehr unterschiedliche Kirchen von einer bewegten Dynastie:
Kirche der Gottesmutter (1689) – einschiffige Kuppelbasilika, deren Fassaden noch immer von geschnitzten Weinranken und Kriegern zieren; Fresken gingen im Brand des 18. Jhs. verloren.
Kirche des Erlösers (16.–17. Jh.) – kreuzkuppelig, mit einem seltenen steinernen Baldachin, den der Legende nach die Witwe des Herzogs Edisher errichten ließ.
Kapelle „Mkurnali“ (Heiler) – klein und halb außerhalb der Mauern; hier wuschen Reisende einst ihre Wunden im kalten Aragwi, bevor sie die Hochpässe ansteuerten.
Obwohl die Gewehre seit Anfang des 19. Jhs. schweigen, wachen die Mauern weiter. 2007 setzte die UNESCO den Komplex auf ihre Tentativliste – ein Schritt zur Welterbe-Ehrung. Bis dahin bewahrt Ananuri seine Geheimnisse: Granit, Glaube und Berglicht vereint zu einem unvergesslichen Halt jeder Georgien-Reise.